Staaten brauchen Geld: Zum ersten Mal seit der Finanzkrise schrumpfen die Goldreserven der Notenbanken
Der Goldpreis ist während der letzten Monate stark gestiegen - davon wollen auch einige Zentralbanken profitieren. Unter anderem die Türkei verkauft derzeit so viel Gold das ganze Jahrtausend noch nicht. Das Land braucht das Geld im Kampf gegen die Lira-Krise.
19 Prozent hat der Goldpreis in Euro allein in diesem Jahr zugelegt – und davon wollen nicht nur Privatleute profitieren. Zum ersten Mal in dieser Dekade haben Zentralbanken weltweit mehr Gold-Reserven verkauft als neu aufgebaut. Sie trennten sich im dritten Quartal netto von 12,1 Tonnen Gold im Wert von 625 Millionen Euro.
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Vorreiter waren dabei Usbekistan und die Türkei. Ersteres Land trennte sich von 34,9 Tonnen Gold, letzteres von 22,3 Tonnen zwischen Juli und September, die das World Gold Council (WGC) jetzt in seinem Quartalsbericht offenlegt. Die Goldvorräte hatten nach heutigem Kurs einen Wert von 1,8 beziehungsweise 1,15 Milliarden Euro. Auch die russische Zentralbank verkaufte erstmals seit 13 Jahren wieder Teile ihrer Gold-Reserven.
Warum Usbekistan und die Türkei ihre Goldreserven verkaufen
Die Motive der Staaten sind dabei sehr unterschiedlich. Usbekistan war 20 Jahre lang unter Diktator Islam Karimow von der Außenwelt isoliert. Mit der Wahl eines neuen Parlamentes und unter Präsident Schawkat Mirsijojew soll sich das ändern. Die neue Regierung möchte das Land öffnen, Investoren anlocken und Usbekistan in internationale Organisationen integrieren. Das kostet Geld und das wiederum beschafft sich die Zentralbank über den Verkauf von Gold-Reserven.
Die Türkei wiederum nutzt die Einnahmen aus dem Gold-Verkauf vor allem, um gegen den Verfall ihrer Währung anzukämpfen. Die Lira gehört dieses Jahr nach dem brasilianischen Real mit einem Verlust von rund 30 Prozent zu den schwächsten Währungen der Welt. Mehrfach hat die Zentralbank schon ausländische Währungen ver- oder Lira gekauft. Das dafür notwendige Kleingeld besorgt sich die Bank jetzt auch mit dem Verkauf von Gold.
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Tatsächlich sind die Einnahmen aus dem Gold-Geschäft sogar kürzlich noch höher als das WGC in seinem Quartalsbericht zusammenfasst. Denn im Juli und August kaufte die türkische Zentralbank noch Gold auf, im September schmiss sie dann 45,5 Tonnen auf den Markt. Das sind rund acht Prozent ihrer gesamten Reserven im Wert von 2,35 Milliarden Euro. Einen solch großen Ausverkauf hatte es in dem Land in diesem Jahrtausend noch nicht gegeben.
„Es ist nicht verwunderlich, dass viele Zentralbanken jetzt Gold verkaufen“, sagt WGC-Chefanalystin Louise Street gegenüber der Finanznachrichtenagentur Bloomberg, „fast alle Verkäufe stammen aus Ländern, die vom hohen Goldpreis zu einer Zeit profitieren wollen, in der ihre Haushaltslage äußerst angespannt ist.“ Mit den Einnahmen lassen sich eben auch Haushaltslöcher durch die Corona-Krise schnell stopfen.
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Goldschmuck-Markt ist eingebrochen
Das dritte Quartal war dazu eine gute Gelegenheit. Der Goldpreis erreichte sein Jahreshoch im August bei 1743 Euro pro Feinunze von etwa 31 Gramm. Mittlerweile ist er auf 1613 Euro gefallen, liegt damit aber immer noch deutlich über dem Niveau zu Jahresanfang. Seit dem letzten Tiefpunkt im Juni ging es 8,5 Prozent nach oben. Gegenüber dem letzten Zeitpunkt, an dem Zentralbanken netto Gold in einem Quartal verkauften, ist der Kurs sogar um 142 Prozent gestiegen.
Auch außerhalb des Handels von Zentralbanken war das dritte Quartal kein gutes für Gold. Die Nachfrage nach dem Edelmetall fiel laut WGC um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Schuld daran ist vor allem die Corona-Krise. Sie führt dazu, dass sich weniger Kunden Goldschmuck kaufen. Entsprechend kauften Juweliere und Hersteller von Luxusgütern weniger Gold auf dem Markt ein. In Indien, sonst ein großer Absatzmarkt für Goldschmuck, brach die Nachfrage um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein. Ausgeglichen wurde das weltweit durch eine erhöhte Nachfrage von Investoren, die Gold als sichere Anlage in Krisenzeiten schätzen. Es war aber nicht genug, um das Angebot insgesamt auszulasten. Entsprechend stieg der Goldpreis von Juli bis September nur leicht um knapp zwei Prozent.
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Hintergrund: Mehr Barren, weniger Schmuck - Corona-Krise bremst Goldnachfrage
Die Corona-Krise hat drastische Auswirkungen auf den Goldhandel. In den Monaten Juli bis September habe zwar die Nachfrage nach Goldmünzen und Goldbarren sowie nach Wertpapieren, bei denen Gold hinterlegt wird (Gold-ETFs), stark zugelegt, teilte der Branchenverband World Gold Council. Wegen der Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und eines Rekordpreises beim Gold sei aber die Nachfrage nach Goldschmuck eingebrochen. Unterm Strich sei die globale Goldnachfrage im dritten Quartal im Jahresvergleich um 19 Prozent auf 892 Tonnen gefallen, hieß es in einem Bericht des Verbands.
Im dritten Quartal war die globale Goldnachfrage nach Angaben des Branchenverbands damit so schwach wie seit dem dritten Quartal 2009 nicht mehr. 2009 hatten die Folgen der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise die Weltwirtschaft belastet. Seit Beginn des laufenden Jahres bezifferte der Verband die globale Nachfrage nach Gold auf 2972,1 Tonnen. Das sind 10 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
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Author: Elizabeth English
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