Einige Zentimeter in der Taille mehr, zu wenige in der Höhe, dazu ein Gesicht mit Mimikfalten – all diese Dinge gehören zu den „No-Gos“ der Beauty-Industrie. In den letzten Jahren aber trotzen immer mehr Frauen diesem Trend und wollen die bisher geltenden, absurden Schönheitsnormen umstoßen. So sollen alle Körperformen und -typen und jedes Alter ihren Platz in der Welt haben.
Auch in Temeswar/Timișoara gibt es einige solche Initiativen: Paula „Dunia“ Aldescu ist eine Bloggerin, die seit einiger Zeit Fotografien und Texte in sozialen Netzwerken veröffentlicht, die Frauen auffordern, ihre Falten mit Stolz zu tragen: „#poartariduri“ heißt ihr Ansatz zur Körperakzeptanz. Zum vergangenen Internationalen Frauentag hat die 39-Jährige eine Fotoausstellung mit diesem Titel, „Poartă Riduri“ (Trage Falten), in Temeswar organisiert. 24 Frauen verschiedenen Alters ohne Schönheits-OPs oder kosmetische Eingriffe wurden fotografiert. Die Bilder wurden dann für zwei Wochen im Temeswarer Haus mit dem Efeu (Casa cu iederă) auf dem Corneliu-Coposu-Boulevard ausgestellt.
Das Projekt kam vor einiger Zeit zustande, lässt die Wahltemeswarerin Paula Aldescu wissen. Hintergrund dafür –„die große Herausforderung, die Mütter haben, in der Bestrebung, ihren Kindern die besten Werte weiterzuleiten“, sagt sie. Als Mutter von zwei Kindern, Mara (13) und Matei (2), hat sie diese Rolle sehr ernst genommen. Sie nahm sich vor, vor allem ihrer Tochter, die bald Teenagerin ist, besondere Vorbilder vorzustellen.
„Was wir als Frauen heute für schön halten, verwirrt mich. Es gibt zu viel Schmerz, Verzerrung, Verstümmelung, Entfremdung. Also habe ich nach Vorbildern gesucht. Frauen, die Wert auf einen gesunden Geist, Körperpflege, Bildung und Humor legen. Humor ist absolut notwendig“, erklärt Paula Aldescu. So lud sie verschiedene Frauen aus Temeswar, darunter Ärztinnen, Schauspielerinnen und Journalistinnen, zu einem Gespräch über Schönheit ein und ließ sie von einem der drei Fotografen des Projekts fotografieren. „Frauen, die nicht einfach nur schön bleiben wollten, sondern auch Wert auf ihre persönliche Entwicklung legen“, fügt die Bloggerin hinzu. Das Projekt erstreckte sich über mehrere Monate, in denen die in der Ausstellung porträtierten Frauen von den Fotografen Carmen Magdalena, Bogdan Mosorescu und Simona Nuțu abgelichtet wurden.
Das Projekt soll neue Diskussionen entfachen und weitere Frauen vor die Kamera bringen. Über „Poartă riduri“ kann man auch auf dem Blog von Paula Aldescu, dunia.ro, lesen. Dort hat sie auch andere Initiativen in die Wege geleitet, darunter „Poartă o carte“ (Trage ein Buch), zur Förderung des Lesens.
Modelagentur mit neuen Normen
Zu neuen Schönheitsnormen will auch eine andere Wahltemeswarerin beitragen. Elizabeth Jeanne Cron stammt aus den Vereinigten Staaten und lebt seit einigen Jahren in Rumänien. In Temeswar hat sie eine Model-Agentur eröffnet und wirbt für die „Neudefinierung der Schönheit“. Partner in diesem Projekt ist die Fotografin Lorena Dumitrașcu, Gründerin von „Light Stories“. Alles findet unter einem Dach statt, im multikulturellen „CronicLoveProductions“ (CLP)-Zentrum am Temeswarer Domplatz.
Das CLP-Studio ist im Brück-Haus zu finden. Mit einer der besten Aussichten auf dem beliebten Domplatz bietet das Studio gleich mehrere Komponenten: Studio A und Studio B, eine Buchhandlung und einen Shop mit einzigartigen Produkten lokaler Künstler und Handwerker. Der Raum wurde vor einigen Monaten eröffnet und beherbergt verschiedene Aktionen, darunter Vor- und Ausstellungen, Werkstätten, Tanzstunden und Foto-Sessions.
Der neue multikulturelle Raum ist auf Initiative von Elizabeth J. Cron entstanden. Sie ist TV- und Filmproduzentin und Produktionsleiterin. Als Tänzerin seit ihrem dritten Lebensjahr lebt Eli-zabeths kreative Leidenschaft auf der Bühne und vor der Kamera. Neben der Schauspielerei führt sie auch Stunts und Kampfsportarten in Filmen vor. Als Produzentin hat es sich Elizabeth zur Aufgabe gemacht, die interessantesten und fesselndsten Geschichten in aller Welt aufzuspüren und durch nachhaltiges Filmemachen spannende und zugleich lehrreiche Inhalte zu produzieren.
2019 zog sie nach Rumänien, um an einem speziellen Projekt zum Bau einer Kinderbibliothek in der Ortschaft Crivobara im Kreis Temesch zu arbeiten, und erhielt dort einen Vertrag mit einer tourenden zeitgenössischen Tanzkompanie. Nachdem sie zwei Jahre lang in Rumänien gelebt und gearbeitet hatte, beschloss sie, das Land bei der Wahl zur „Miss World International 2021“ in Miami zu vertreten, wo sie den Titel „Miss World International 2021“ gewann und als eine von vier Kandidatinnen mit dem Titel „Ms. Supermodel of the Year“ ausgezeichnet wurde. Vor 2019 hatte Elizabeth die USA bei internationalen Wettbewerben in Indien, Sri Lanka und Malaysia vertreten und kassierte dafür eine ganze Handvoll Titel. Sie wurde mit dem „President’s Volunteer Service Award“ ausgezeichnet und ihre Plattform „Redefining Beauty“ brachte ihr 2017 die Krone der „Miss California United States“ ein. Elizabeth ist auch ein erfahrener Coach im Bereich des Schönheitswettbewerbs, den sie auch in Rumänien ausbauen möchte. 2022 leitete sie die erste Misswahl in Rumänien „Ms Romania World International“, eine offizielle Vorstufe zu „Ms World International 2022“.
Pageant Lab – für Schönheitswettbewerbe und Selbstvertrauen
Durch ihre Produktionsagentur CronicLoveProductions Europe lancierte sie in diesem Jahr die Akademie und Wettbewerbsagentur unter dem Namen „Pageant Lab“ in Temeswar, mit dem Ziel, Plattformen bekannt zu machen, die inklusiv und in Rumänien zugänglich sind. Doch über die Schönheitswettbewerbe hinaus will sie für unterschiedliche Schönheitsnormen werben. „Ich habe für klassische Miss-Wettbewerbe auch nicht die notwendige Höhe – aber das hat mich nicht davon abgehalten, meinen Weg zu finden und zu modeln“, erzählt die US-Amerikanerin.
„Ich bin damit aufgewachsen, mit meiner Familie ´Miss Universe´ und alle anderen Wettbewerbe zu sehen, die im Fernsehen übertragen wurden. Ich dachte immer: Eines Tages. Dann hörte ich bei 158 Zentimetern auf zu wachsen. Es schien, als wäre die Entscheidung für mich gefallen; ich war nicht für den Schönheitswettbewerb und schon gar nicht für das Modeln bestimmt. Ich verbrachte diese Jahre damit, mein Handwerk als Künstlerin und Rednerin zu verfeinern. Ich fand auch viele Wohltätigkeitsorganisationen, die ich unterstützen und bei denen ich mich ehrenamtlich engagieren konnte. Doch dann kam eines Tages eine Craigslist-Anzeige, in der nach Kandidatinnen für die Miss CA USA gesucht wurde – ohne Höhenvorgabe. Ich konnte es nicht glauben und habe die Chance genutzt und mich angemeldet. Es war das letzte Jahr, in dem ich aus Altersgründen zur Wahl zugelassen war. Ich war erstaunt über die selbstbewussten Frauen, von denen ich nun umgeben war. Ich wusste, dass ich meine Schwesternschaft gefunden hatte, und ich würde nicht zulassen, dass mir eine weitere Einschränkung, diesmal das Alter, in die Quere kommt. Danach nahm ich an regionalen, staatlichen, nationalen und internationalen Wettbewerben teil und gewann Titel, Auszeichnungen und lebenslange Freundschaften“, erzählt Elizabeth J. Cron.
Keine Grenzen für Schönheit
Die Plattform „Redefining Beauty“ hat sie also gegründet, um Schönheitsstandards und Stereotypen zu hinterfragen. Wie definieren wir derzeit Schönheit in unserer Gesellschaft? Ist sie integrativ und zugänglich? Heutzutage kann es schwierig sein, sich in Sachen Schönheit zurechtzufinden, wenn auf der ganzen Welt aktiv für Gleichberechtigung gekämpft wird. Von diesen Fragen und Gedanken ausgehend möchte sich die Wahltemeswarerin Elizabeth nun für die Neudefinierung der Schönheit einsetzen und Selbstvertrauen und den Ausdruck des Selbst fördern. Zur offiziellen Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres „Temeswar 2023“ wurde im multikulturellen Raum am Domplatz eine Eventreihe organisiert, darunter auch die Fashion-Show „Take Me To: The Party / Take Me To: Church“ mit den beiden Sammlungen von Kirizza (Laura Chiriță). Die Teilnehmerinnen erlebten die Schönheit der neu definierten Mode. Die Modelanforderungen für das Casting waren: Größe, Gewicht, Alter, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht – alles beliebig. So haben zum Beispiel eine 50-jährige Mutter und ihre Teenager-Tochter gemeinsam gemodelt.
Für die Casting-Fotos und Porträts sorgt die Fotografin Lorena Dumitrașcu im Studio B des CLP-Raumes. Innerhalb „Light Stories“ (lichte bzw. leichte Geschichten) lässt sie die beeindruckenden Details ihrer Subjekte ans Licht kommen.
Author: Ronnie Martinez
Last Updated: 1703597522
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